Geschichte des Bachfestes

Festival mit Tradition

Das erste Bachfest Leipzig fand 1908 anlässlich der Enthüllung des »Neuen Bach-Denkmals« statt. Festivals zu Ehren Johann Sebastian Bachs gibt es in Leipzig in unregelmäßiger Folge bereits seit 1904. Zunächst von Mitgliedern der Neuen Bachgesellschaft initiiert, tritt ab 1908 (»Erstes Leipziger Bachfest« anlässlich der Enthüllung des Neuen Bach-Denkmals auf dem Thomaskirchhof) auch immer wieder die Stadt Leipzig als Organisator auf. Mann der ersten Stunde und treibende Kraft in den Anfangsjahren ist der spätere Thomaskantor Karl Straube (1873–1950).

 

Versuche der politischen Vereinnahmung

Stadtdekoration zur »Deutschen Bach-Feier« 1950 Bis einschließlich 1989 fanden 26 Festivals statt, mal waren sie als »Leipziger Bachfest«, mal als »Bach-Tage«, »Bach-Feier«, »Bach-Festwochen« oder gar als »Reichs-Bach-Fest« (1935) betitelt. Hinter solchen Bezeichnungen verbargen sich auch Ideologien, die das Festival politisch zu vereinnahmen suchten. Die nationalsozialistische Propaganda versuchte, Bach als deutschen Nationalhelden zu instrumentalisieren; seit 1950 gab es in der DDR Tendenzen, Bach als weltlichen Komponisten in den Vordergrund zu stellen. Die Leipziger Bachfeste blieben davon jedoch weitgehend unberührt, da sie stets von der Neuen Bachgesellschaft als einer gesamtdeutschen Vereinigung mit veranstaltet wurden. 1981 hatte man das Bachfest erstmalig in den Dezember verlegt, um die adventlichen und weihnachtlichen Werke des Thomaskantors im kirchenjahreszeitlichen Kontext aufführen zu können. Da die Leipziger Kantoreien in der Regel nicht in die Programmplanung mit einbezogen wurden, blieben die Möglichkeiten der Aufführung von Vokalwerken begrenzt. Um solche Defizite zu kompensieren, erklangen im Bachfest 1994 fast ausschließlich geistliche Kompositionen, diesmal aber unter Einbeziehung der Leipziger Kirchenchöre.

 

Die Musikstadt Leipzig

Bereits in den 1920er Jahren und seitdem immer wieder tauchte in der öffentlichen Diskussion der Begriff der Musikstadt Leipzig auf. Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre geht es dabei aber um mehr als um die bloße Benennung der Stadt mit einem gut klingenden Zusatz. Man entschloss sich an offizieller Stelle – angelehnt an Vermarktungsstrategien beispielsweise von Salzburg mit seinem berühmtesten Bürger Wolfgang Amadeus Mozart – »die Stadt Leipzig als Bachstadt und darüber hinaus als Musik- und Kulturstadt darzustellen«. Damit einher ging auch der Beschluss des Stadtrates, ab dem Jahr 1999 ein jährliches Bachfest einzurichten. Mit der Organisation und Durchführung wurde das Bach-Archiv Leipzig beauftragt.

 

Bachjahr 2000: Leipzig als Mittelpunkt der Musikwelt

Installation »Bach über Leipzig« im Jahr 2000. Foto: LTM/Andreas Schmidt Die »neue Ära« der Leipziger Bachfeste begann 1999 mit gut 30 Veranstaltungen, zu denen etwa 15.000 Besucher kamen. Ein guter Erfolg, der jedoch im darauf folgenden Jahr komplett in den Schatten gestellt werden sollte: Das Jahr 2000 war (auch) Bach-Gedenkjahr und so strömten über 70.000 Besucher nach Leipzig und erlebten eine Fülle von großartigen Konzerten. Namhafte Künstler gaben sich die Klinke in die Hand und ehrten Bach jeder auf seine Weise. Leipzig war der Mittelpunkt der Musikwelt. Drei Monate lang hing über der Innenstadt ein 54 x 54 Meter großes Portrait des Komponisten; die Thomaskirche mit der neuen Bach-Orgel erstrahlte nach langjähriger Restaurierung mit Hilfe zahlreicher Spenden in neuem Glanz; an Bachs 250. Todestag wurde rund um die Welt ein 24-stündiges TV- und Multimedia-Ereignis ausgestrahlt; mehr als 90 Konzerte begeisterten die Zuhörer aus Nah und Fern; zahlreiche Museen beteiligten sich mit Sonderausstellungen zu Bach.

 

Kontinuität

In den Jahren 2007–2010 diente der Augustusplatz als Ausweichort für die Open-Air-Konzerte. Der Marktplatz befand sich im Bau. Foto: Gert Mothes Dass das Bachfest Leipzig sich auch in der Zeit nach dem Ausnahmejahr 2000 etablieren und – trotz eines vergleichsweise recht kleinen Budgets – seinen festen Platz unter den zahlreichen klassischen Musikfestivals im Allgemeinen und unter den knapp 30 deutschen Bach-Festivals im Besonderen finden konnte, verdankt es vor allem zwei Faktoren: der Qualität des Programms und der Authentizität seiner Orte. Beides ist nicht unabhängig voneinander, denn auch für große Künstlerpersönlichkeiten ist es immer wieder etwas besonderes, an den historischen Wirkungsstätten Bachs zu spielen. Für das Publikum aus aller Welt sind beide Faktoren ebenfalls ein Grund zur Reise in die Musikstadt. Eine fast kontinuierliche Steigerung der Zuschauerzahlen ist Beleg für die Richtigkeit des Konzeptes, das sich mit seinem Mix aus weltlichen und Kirchenkonzerten, atmosphärischen Jazz-Interpretationen, Kammerkonzerten, Open-Air-Veranstaltungen und Orgelfahrten seit 1999 bewährt hat.

Zukünftige Entwicklungen

Das nächste ganz große Jubiläum steht erst 2035 ins Haus – der 350. Geburtstag Johann Sebastian Bachs. Aber 2023 haben wir die 300. Wiederkehr der Berufung Bachs ins Amt des Thomaskantors gefeiert!

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