Passion

Drei Fragen an Andreas Reize

 

Foto: Gert Mothes

 

Vor 300 Jahren hat Bach seine Johannes-Passion komponiert. Der Thomanerchor würdigt dieses Jubiläum beim Bachfest 2024 mit einer außergewöhnlichen Aufführung auf der Nordempore der Thomaskirche. Welche besondere Besetzung und Aufführungspraxis erwartet hierbei die Zuhörerinnen und Zuhörer?

Wir wollen die Erstfassung der Johannes-Passion von 1724 rekonstruieren, die ja gar nicht ediert ist. Ich habe mich intensiv mit dem Thema beschäftigt, auch gemeinsam mit Martin Krämer und Peter Wollny vom Bach-Archiv, und wir haben im März 2022 diese Version bereits für CD eingespielt. Ein wichtiger Unterschied betrifft den Einsatz der Flöten, die in dieser Urfassung offenbar nicht die Oboen verstärkt haben, sondern nur in den Soloarien auftreten. Wir stehen mit 24 Thomanern und der ebenfalls klein besetzten Akademie für Alte Musik Berlin rund um die große Bach-Orgel auf der Nordempore. Besonderen Wert legen wir auf die historisch korrekte Ausführung der Appoggiaturen, also der Vorschläge, auch da haben wir intensive Forschungen in den Quellen der Bach-Zeit vorgenommen.

Über viele Jahrzehnte war es für die Thomaner gewöhnlich, Bachs Passionen in voller Besetzungsstärke zu singen. Wie nehmen die Chorknaben die nun deutlich reduzierte Besetzung wahr?

Natürlich sind nicht alle davon begeistert, wenn zum Bachfest bei der Johannes-Passion nur 24 von rund 90 Thomanern mitsingen dürfen. Und doch hat das eine lange Tradition im Chor, dass es eine kleiner besetzte »Erste Kantorei« gibt. Den Jungs, die in diesem Ensemble mit dabei sind, macht das kammermusikalische Singen natürlich sehr viel Freude. Im Interesse des sozialen Zusammenhalts der Thomaner praktizieren wir das aber nur für bestimmte Auftritte oder CD-Produktionen.

Thomasorganist Johannes Lang wird bei dieser Aufführung an der großen Bach-Orgel spielen. Welche Konsequenzen ergibt das für den Gesamtklang?

Die Orgel steht im Zentrum der Aufführung und ist ganz klar ihr klangliches Fundament. Johannes Lang und ich haben anhand von historischen Quellen Registrierungen ausgewählt, die im 18. Jahrhundert etwa für die Begleitung einer Arie oder eines Rezitativs vorgeschlagen wurden. Im Gesamtklang ist die Orgel also durchgehend sehr präsent, was insgesamt zu neuen Höreindrücken führen wird.

 

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