Choralkantaten 1

Drei Fragen an Christoph Spering


Foto: Stefanie Kunde
 

Seit rund zehn Jahren arbeiten Sie mit dem Chorus Musicus Köln und dem Neuen Orchester an einer Einspielung sämtlicher Choralkantaten von Johann Sebastian Bach. Was fasziniert Sie an diesem zweiten Leipziger Kantatenjahrgang?

Zum Choral, dem protestantischen Kirchenlied – und zum Bach-Choral insbesondere – habe ich seit meiner frühesten Jugend große Affinität und Leidenschaft entwickelt. Diese homophonen Sätze, die ja nicht allzu kompliziert scheinen, wurden schon früh in meinem Elternhaus musiziert. So war es für mich naheliegend, mich für den Choralkantaten-Jahrgang zu interessieren, der ja zudem der am vollständigsten überlieferte Kantatenjahrgang Bachs ist und mich immer wieder in seiner unglaublichen Vielfalt fasziniert.

Aufführungspraktisch haben Sie in Ihren Einspielungen unter anderem auf eine starke Betonung der Orgel im Basso continuo geachtet. Was sind Ihre Beweggründe dafür?

Johann Sebastian Bach war von seiner Prägung und Ausbildung her vor allem ein Clavierspieler, das heißt Organist. Die Orgel muss meiner Meinung nach deshalb viel stärker im Mittelpunkt seiner Musik stehen, als sie das bei vielen Konzerten und Einspielungen bisher getan hat. Sie ist das Hauptinstrument Bachs, das Zentrum des Generalbass-Fundamentes.

Beim Bachfest 2024 werden Sie die ersten vier Kantaten aus Bachs Choralkantaten-Jahrgang aufführen. Was vereint diese Stücke, worin unterscheiden sie sich?

Es ist interessant und eine sehr gute Idee, diesen Kantaten-Jahrgang beim Bachfest chronologisch aufzuführen. Bemerkenswert an den ersten vier Kantaten ist, dass die Choralmelodie im Eingangschor durch alle Stimmen »wandert«. In der ersten Kantate (BWV 20) liegt sie im Sopran, in der zweiten (BWV 2) im Alt, in der dritten Kantate (BWV 7) wandert sie in den Tenor und liegt schließlich in der vierten (BWV 135) im Bass. Aber auch formal und hinsichtlich der Instrumentierung zeigen diese vier ersten Kantaten eine besondere Vielfalt. Von der zweiteiligen ersten Kantate »O Ewigkeit, du Donnerwort« bis zur fast intimen vierten Kantate »Ach Herr, mich armen Sünder« breitet Bach seine Kunst wie in einem Kaleidoskop aus.

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