BACH – We Are FAMILY · Bachfest Leipzig 2020

95. Bachfest der Neuen Bachgesellschaft

»BACH – We Are FAMILY« – wie kommen Sie denn auf dieses Motto?

Am Anfang der Planungen stand die Vision, ein Fest zu feiern, wie es die Bach-Familie einst in Thüringen zu feiern pflegte. Einmal im Jahr traf sich die weitverzweigte Musikerfamilie an einem bestimmten Ort, um gemeinsam zu musizieren und die legendären Quodlibets zu singen. Heute ist die Bach-Familie eine globale. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die sich wegen ihrer Liebe zu Johann Sebastian Bach in Gesellschaften oder Chören zusammenschließen. Die älteste dieser Vereinigungen, die Neue Bach-Gesellschaft, feiert 2020 – wie alle fünf Jahre – ihr jährliches Bachfest mit uns zusammen. Aber diesmal haben wir alle weiteren ›Familienmitglieder‹ ebenfalls eingeladen, also sämtliche Bach-Vereinigungen, die wir auf dem Globus fanden: über 250! Die Resonanz hat all unsere Erwartungen übertroffen. An die 50 Bach-Chöre und -Ensembles werden von allen Kontinenten nach Leipzig pilgern, um aktiv am Festival teilzunehmen. Und so können wir jetzt voller Stolz und Vorfreude ankündigen: Das Bachfest 2020 wird das größte Familienfest, das die weltweite Bach-Community je gefeiert hat. Da passt das Motto »BACH – We Are FAMILY!« perfekt, denn es steht für dieses wunderbare Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns alle verbindet. Die Liebe zu Bachs Musik kennt weder geographische noch kulturelle oder konfessionelle Grenzen. Und das wird sich an den elf Festivaltagen immer wieder – und immer wieder anders – zeigen.

 

Und wie?

Das Programm steht auf zwei Säulen. Zum einen führen berühmte Bach-Interpreten in über 30 Konzerten Werke der gesamten Bach-Familie auf. Im Zentrum steht natürlich Johann Sebastian Bach, aber wir werden auch die für ihn bedeutsamen Werke seiner Vorfahren – aus dem »Alt-Bachischen Archiv« – und seiner Söhne erkunden. Die zweite Säule liefern die vielen anreisenden Chöre, die sich in Konzerten und Metten präsentieren werden. Am schönsten versinnbildlichen sie unser Motto in einem Zyklus, der sich über das gesamte Bachfest erstrecken wird: 33 Bach-Chöre aus 15 Ländern – von Neuseeland über Südafrika bis Paraguay – werden in 18 Konzerten und diversen Gottesdiensten an Bachs originalen Leipziger Spielstätten alle 66 Kantaten aus dessen Choralkantaten-Jahrgang aufführen, und das Publikum ist eingeladen, in die von Bach bearbeiteten Kirchenlieder zu Beginn und am Schluss einer jeden Kantate einzustimmen. Noch nie hat es im Rahmen eines Festivals die Aufführung eines gesamten Kantaten-Jahrganges gegeben, und dass dies nun auf diese Weise geschieht, ist ein großartiges Symbol für die verbindende Kraft von Bachs Musik.

 

Gibt es neben der Aufführung des gesamten Choralkantaten-Jahrganges noch andere Highlights?

Aber ja! In einem weiteren Zyklus aus fünf Konzerten spüren wir auf ganz unterschiedliche Weise den »Wurzeln« J. S. Bachs nach. Weltberühmte Interpreten wie Ton Koopman, Frieder Bernius oder Václav Luks werden mit ihren Ensembles Werke der älteren Bach-Familie und von wichtigen Vorbildern J. S. Bachs in den Kontext mit dessen eindrucksvollen frühen Kantaten und Motetten stellen. Reinhard Goebel, Christophe Rousset, Gotthold Schwarz u. a. erkunden das musikalische Verhältnis zwischen Bach und seinen Söhnen, den »Früchten« Bachs. Aber auch an Zyklen, die sich J. S. Bach allein widmen, herrscht kein Mangel. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden erklingen in der Thomaskirche Johannes- und Matthäus-Passion, musiziert von den Bach-Institutionen Gaechinger Cantorey und J. S. Bach-Stiftung St. Gallen. Und spannend wird ganz gewiss auch Andris Nelsons’ Bach-Debüt: mit der h-Moll-Messe im Abschlusskonzert.

 

Und wie sieht es im kammermusikalischen Bereich aus?

Vielfältig! Und auch da gibt es überfällige Bachfest-Debüts. Allen voran dasjenige von Angela Hewitt mit den Goldberg-Variationen – unsere erste Bach-Medaillen-Preisträgerin! Ich freue mich auch auf die beiden Konzerte von Mahan Esfahani und die Wiederkehr von Pieter Wispelwey, jetzt mit Bachs Gambensonaten. Zudem erklingen in vier stimmungsvollen Nachtkonzerten Bachs große Sammlungen »Senza Basso«: die Cello-Suiten mit dem überragenden Jean-Guihen Queyras und Amandine Beyers zauberhafte Interpretation der Sonaten und Partiten. Mit ihr haben wir erneut einen Artist in Residence, der in jüngerer Zeit eine ganz besondere Art der Bach-Interpretation entwickelt hat!

 

Gibt es einen Beitrag zum großen Beethoven-Jubiläum?

Selbstverständlich, und zwar auf einem Feld, in dem Beethoven seinem Bach – den er lieber »Meer« genannt hätte – vielleicht am nächsten ist: seine Kirchenmusik. Im Eröffnungskonzert musizieren Thomanerchor und Gewandhausorchester Beethovens C-Dur-Messe. Dann folgen die Missa Solemnis in der Oper und schließlich »Christus am Ölberge«.

 

Ist bei so viel Kernprogramm noch Zeit für ›Nebenschauplätze‹, Konzertfahrten ins Umland und die BachStage auf dem Marktplatz?

Allerdings, und das liegt vor allem an dem wunderbaren Umstand, dass sich so viele Leipziger Institutionen und Förderer unter den Bachfest-Schirm begeben – das sind neben der Oper mit ihren tollen Ballett-Produktionen und dem Gewandhaus auch die Komponistenhäuser, mit denen wir nun an drei Abenden die chillige »Bachfest-Lounge« starten. Unser Hauptsponsor, die Sparkasse Leipzig, ermöglicht uns erneut ein vielseitiges Crossover-Programm auf der BachStage am Markt – zum Beispiel mit einer experimentellen Aufführung der Johannes-Passion, bei der tausende Besucher gemeinsam die Choräle singen werden oder mit den spektakulären Flying Steps. Bei den BachSpielen im Hauptbahnhof geht es ebenso bunt zu. Die Konzert- und Orgelfahrten – diesmal in sehr schönen Kooperationen mit den Thüringer Bachwochen und den Köthener Bachfesttagen – werden 2020 an besonders viele ›Sehnsuchtsorte‹ von Bachianern führen. Und die Wissenschaftler des Bach-Archivs und manch besonderer Gast – darunter ein echter Bach-Nachfahre – werden wieder alles daran setzen, in den kostenfreien Vorträgen viele Fragen zu Bach und seiner Familie zu beantworten.

 

Das klingt nach einem gewaltigen Programm, umfangreicher als jemals zuvor. Sehen Sie auch Risiken?

Umfangreich ist das Programm wirklich: 153 Veranstaltungen, und vielleicht vielfältig wie nie. Aber wir erwarten ja auch wegen der allein 50 anreisenden Bach-Chöre deutlich mehr Publikum als üblich. Deshalb habe ich eigentlich nur eine Sorge: Dass wir für manches Konzert nicht alle Ticket-Wünsche bedienen können. Aber eines ist gewiss: Wir werden versuchen, alles möglich zu machen – um jedem Bach-Pilger von nah und fern ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten. Denn auch in der Hinsicht gilt unser Festival-Motto: BACH – We Are FAMILY!

 

 

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