Eröffnungskonzert

Drei Fragen an Andreas Reize

 

Foto: Gert Mothes

 

»Tranformation« ist das Motto des Bachfestes 2025. Was verbinden Sie mit diesem Begriff im Zusammenhang mit Johann Sebastian Bach?

Beim Stichwort »Transformation« denke ich im Kontext von Bach zunächst an seine Vivaldi-Bearbeitungen für Orgel, die in Weimar entstanden sind. Bach hatte den unbedingten Willen, diese neuen Orchesterwerke von Vivaldi auf sein Paradeinstrument, die Orgel, zu übertragen und schuf dabei praktisch neue und einzigartige Stücke. Das ist für Bach prototypisch: Bei ihm kommen Transformation, Innovation und Genialität zu einer idealen Synthese zusammen.

Erstmals steht bei einem Leipziger Bachfest die h-Moll-Messe nicht nur im Abschluss-, sondern auch schon im Eröffnungskonzert auf dem Programm, allerdings in der frühen Dresdner Fassung nur mit Kyrie und Gloria. Was ist das Besondere an dieser Version?

Die Dresdner Stimmen, die Bach 1733 für die dortige Hofkapelle angefertigt hat, faszinieren mich seit einem Seminar bei Joshua Rifkin, das ich während meines Studiums in Bern besucht habe. In den Stimmen hat Bach ja viel mehr Informationen und Details über die Aufführungspraxis notiert als in der Partitur, denn sie waren ja für die einzelnen Musiker der Dresdner Hofkapelle bestimmt, die vorher nie unter Bachs Leitung gespielt hatten. Dieser Detailreichtum ist für jede Aufführung der Missa unverzichtbar.

Bachs Musik haben viele nachfolgende Komponisten ihrerseits zu Transformationen genutzt, von Mozart über Liszt bis hin zu Jazzmusikern. Schätzen Sie solche Bach-Bearbeitungen oder sind Ihnen die Originale lieber?

Grundsätzlich bin ich schon der Typ, der lieber die Originale als die Bearbeitungen spielt und hört. Also eine Bruckner-Sinfonie bevorzuge ich mit Sinfonieorchester und nicht in einer Orgel-Bearbeitung. Andererseits gibt es aber auch sehr beeindruckende Bearbeitungen, wenn ich etwa an Mozarts Version des »Messias« von Händel denke, die er im Geschmack seiner Zeit angefertigt hat. Damals ist man eben viel freier mit einem großen Werk der Vergangenheit umgegangen. Heute dagegen hat man manchmal das Gefühl, dass historische Kompositionen Heiligtümer sind, die man nicht antasten darf. Im Grunde ist ja auch jede Bach-Aufführung mit den 90 Jungs des Thomanerchors eine Transformation, da zu Bachs Zeiten mit wesentlich kleineren Besetzungen gearbeitet wurde.

 

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