Original versus Parodie I

Drei Fragen an Diego Fasolis

Sie werden beim Bachfest Leipzig das »Stabat Mater« von Pergolesi gemeinsam mit Bachs Arrangement aufführen. Zunächst zum Original: Worin liegt die Faszination von Pergolesis »Stabat Mater«, das im 18. Jahrhundert in ganz Europa ungemein populär gewesen ist?

In der Menschheitsgeschichte treffen wir manchmal auf Erfolgsphänomene, die nur teilweise erklärbar sind. Pergolesi verstarb sehr jung, im Alter von nur 26 Jahren, und war schon zu Lebzeiten als künstlerisches Talent anerkannt. Er hinterließ, geschrieben zwischen 1729 und 1735, allerdings nur um die 20 Werke von Kirchenmusik bis Oper. Pergolesis Popularität zu Lebzeiten, verbunden mit der Bestürzung über dessen Krankheit und Tod, und die allgemeine Begeisterung für die neapolitanische Schule haben aber wohl in einer Art »vor-romantischen Geistes« dazu geführt, dass viele ihm aus kommerziellem Erfolgsdrang fälschlich zugeschriebene Werke in Umlauf gerieten. Dies hat seinen Ruhm zusätzlich gesteigert.

Welche Veränderungen hat Johann Sebastian Bach in seiner Bearbeitung »Tilge, Höchster, meine Sünden« eingebracht?

Zu den glücklichen Fügungen für Pergolesi und sein atemberaubendes »Stabat Mater« gehört auch die Hand des großen Johann Sebastian Bach. Dieser entschied sich, das musikalische Material für eine Kantate zu benutzen, wobei er das harmonische Geflecht vervollständigte und bereicherte, einerseits mit einer großartigen und ganz eigenen Linie der Viola, andererseits durch den Chor, um mit einer Wiederholung in Dur schließend, die Seelen der Zuhörerinnen und Zuhörer zu erheben..

Können Sie sagen, ob Ihnen eine Version besser gefällt oder sind die Fassungen gleichwertig?

Die direkte Gegenüberstellung des »Stabat Mater« von Pergolesi und der Bach-Kantate »Tilge, Höchster, meine Sünden« ist eine Herausforderung für alle Interpreten – und besonders auch für das Publikum! Wir bemühen uns, beide Werke – die ich gleichermaßen liebe – in unterschiedliches Licht zu rücken. Es wäre wirklich banal zu behaupten, dass wir eine »katholische« Version einer »evangelischen« gegenüberstellen. Plausibler wäre die Formulierung, dass hier ein »Operista« und ein »Theologe« zusammentreffen..

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